Donnerstag, 27. Oktober 2011

Fundstücke - Under the sign of Melancholia.

Sprachlosigkeit. Immer noch.
Wie ein zerzaustes Strassenkind verharre ich in emotionaler Starre.
Ein herbstlich taumelndes Blatt, dass sich der allgemeinen Schwermütigkeit des kälter werdenden Deutschlands hingibt, ohne nachzufragen.
Zähes Leiden am Zustand der Leere. Absurdes Ringen mit nervösem Zweifel.
Schwankend zwischen Hier&Jetzt und dem Danach.
Kopfloses Aneinanderreihen von Zeichen und Symbolen.
Demütige Hinnahme von Enttäuschung und Preisgabe.
Wütendes Aufbegehren. Halbherzig durchgeführt.
Meine restlichen Synapsen gieren danach, das Leben zu spüren. Und doch stöhnt das erlegte Tier am Boden vor Überdruss.
Ich warte. Dass irgendetwas passiert.
Und doch gebiert der ewige Reigen nur Unlust und Widerwille.
Deutschland im Herbst ist fahles Gezimmer von Befindlichkeiten. Gleichwohl taugt dieser abgewetzte Jammer mehr als jede sommerleichte Idylle.
Für mich gibt es keinen Sommer hier. Das Licht lodert irgendwo anders, nur hier nicht.
Vielleicht seufzt deshalb meine Seele nun erleichtert auf. Virtuos flackert Neo-Noir im Herzen.
Hypnotisch knisternder ExistenzSchrei, der in trüber Retrospektive ertrinkt, entzückt die alten Wunden.
Da erregt selbst der potentielle Deckungsverlust bei Beschuss keine Beklemmungen mehr.


 
We are ready for the siege,
and we are armed up to the teeth.
Be careful how you live and breathe.

Do you feel safe again? Look over your shoulder.
Very carefully, look over your shoulder.

Be careful how you lick your wounds.



Und während ich mich immer mehr lamento-artig in Nonsens-Geschwätz mit garstigen Agenturtanten verheddere, strömen hinreißend kleine Schnipsel aus der Ödnis an meine Brandung. Wie Reste einer überschüssigen Black Box senden sie mir verschollene Grüße einer einstigen und doch so gegenwärtigen Begehrlichkeit.

Wer immer schon einmal wissen wollte, wie intensiv-berstend 'The Voice' live eigentlich ist, der hat hier die Möglichkeit.... City and Colour - Comin' Home (live@Astra/Berlin)
Und selbst wenn diese 'göttliche' Stimme mal nicht ihre eigenen sterblich-zerbrechlichen Worte singt, verwandelt sie doch jedes noch so schnöd Schon-da-Gewesene in eine sich einbrennende Hymne der Unglaublichkeit!!! ..... Neverending White Lights - The Grace (ft. Dallas Green)  ...

I'm mapping out my ending,
it's never gonna happen now
These things are condescending
with everybody backing down
...
I'm so used to being wrong
so put me where I belong.

Und selbst zu Zeiten seiner Post-Hardcore-Anwandlung lehrte Dallas Green jeder Screamo-Attacke das Staunen. Geschretterte, religiös-heidnisch überladene Symbolik, die durch seine Stimme in Ehrfurcht verkehrt wird: Alexisonfire - The Northern .... hallelujah!

Damit ich diesen Typen nicht noch zu meinem 'Erlöser' stilisiere, hier noch zwei weitere Fundstücke, die mich jedoch genauso an ein vergangenes Sein erinnern: Nummer eins erinnerte mich beim ersten Hören sofort an die guten alten Deathrock-Batcave-Tage der 80er; diese düstren Zeiten des Aufruhrs und Radaus, in denen sich Diletanten in benietete 'Karnevalskostüme' schmissen und den Bass hochschraubten. Zola Jesus (wer diese Personifizierung menschlichen Leids bereits in seinem Namen trägt, dem gnade Gott:-)) könnte die Siouxsie Sioux des 21. Jahrhunderts sein, wenn sie nicht aus dem tiefsten Wald von Wisconsin stammen würde, wo sie mit Nietzsche, Schopenhauer ("He's basically like: Kill yourself, it's not worth it." - Pitchfork-Interview ), Opern und einem Jäger als Vater aufgewachsen ist. Diese Eindringlichkeit in ihrer Stimme: WOW! Schwirrende Fetzen elektronischer Beats. Kalte Prägnanz in jedem Ton, die wie eine Lawine das Blut in den Adern gefrieren lässt. Kleine Kostprobe dieses entrückten Aliens unserer Zeit, das ich selbst nach dem zigsten Hören nicht wirklich verstehe (akustisch gesehen; nichtauffindbare Lyrics vermehren die Mystik): Vessel , oder doch Seekir  ?? LOVE!!

Well, Nummer zwei ist dann doch eher was aus der gefälligeren Ecke. Die neuen Tool / A Perfect Circle werden sie wohl nicht werden, aber ... fragt mich nicht ... irgendwas catched mich an dieser Band. Ob das nun diese leicht frauengleiche Stimme (eines  Mannes, wohlgemerkt!:-) ist, oder doch die eingängigen Gitarren-Moods??? ... Don't know. Let's check: Silversun Pickups - Rusted Wheel .

I've been waiting for this silence all night long
---
Lost and loaded
still the same 'ol decent lazy eye
  [ Lazy Eye ]

 
Und nun? Was birgt nun das Finale dieses so freudlos begonnenen Pamphlets?
Das Ende der Welt? Gekonnt subtiler Untergang der Erde, wie ihn etwa Lars von Trier gerade erst in seiner Apokalypse bis aufs Äußerste zelebriert hat? Gnadenlos poetisch, selbst jusqu' au fin de l' humanité?
Nun gut, Melancholia suhlt sich bereits zu Beginn unerbittlich in ungefilterter Auslöschung jeglichen Lebens:
Ein apathisch-düster-gerändertes Gesicht.
Wie Herbstlaub fallende Vögel, die zu Boden rieseln.
Die Erde, ein finsterer Planet im Universum.
Zeitlupen-verzerrte Zeit, die die Ouvertüre zu Wagners Tristan & Isolde in stilisierte Schönheit verwandelt.
Ein niederstürzendes Pferd.
Sonnenfinsternis-Ästhetik.
Hände gen Himmel. Bildgewaltig funkensprühend.
Verschmelzende Gestirne.
Ophelia.
Der Knall.

So episch war noch nie ein Untergang.
Und doch, angesichts der von tiefster Depression gezeichneten Justine, deren Krankheit nicht weniger als verstörende Ohnmacht hinterlässt, fühle ich mich lebendiger als je zuvor.
Und wenn dann 'The magic Cave' im Zeichen des herannahenden Crashs - dunkles Grummeln kündet vom Aufprall von Melancholia - voller Poesie im Augenblick der monumentalen Vernichtung ein letztes Zufluchtsgefühl verleiht, entrinnt mir ein abruptes Gefühl wütend-hungriger Rebellion.
Ich mag ein emotionaler Vagabund sein, den das Dasein zu oft zwischen ungeduldigem Ausrasten und schmerzhaftem Existenzialismus wüten lässt.
Aber "The earth is evil." [Justine/Melancholia] bedeutet noch lange nicht überspannte Resignation vor den vorschriftsmäßigen Unwegsamkeiten des Lebens.

Under the sign of Melancholia.

Montag, 10. Oktober 2011

Grenzstein des Lebens.

 
There's a funeral procession on the highway
traffic screeches to a halt
there's people searching for a better way
to live their lives, oh

Johnny lived a good life, you'll hear them say
as tears of sadness soak the ground
the reaper crept in, took his breath away
in the middle of the night, oh
 
 
 
We celebrate the lives of the dead
it's like a man's best party
only happens when he dies
we gather round to pay our respects
while their souls are still searching for the light
searching for the light
 
So please don't come to me on my dying day
just let me go in peace
with all the things that i forgot to say
racing through my mind, oh
 
And don't you bury me six feet under ground
just burn my body in a box
and let my ashes blow with the wind
out into the night sky
 
 

Donnerstag, 6. Oktober 2011

'THE VOICE'.

The Light.
Plötzlich steht er da.
Augenscheinlich unauffällig betritt er die Bühne.
Gedrungene Statur. Erstaunlich klein.
Karohemd und schwarzer Blazer.
Mit seiner Akkustikgitarre und dem keck zur Seite gebundenen Halstuch könnte er glatt einem Cowboyroadmovie entsprungen sein.
Doch sein schüchterner Blick verrät bereits: Hier ist keine HarteKerl-Toughness im Spiel.
Hier knallt keine Faust in die Magengrube. Hier wird nicht trunken gepöpelt und gelärmt.
Nein, hier schwebt schwermütig-rauchiger Soul-Blues durch die Luft.
Hier atmet kraftvoller FolkRock schmutziges Leid.
Hier schleppt sich die Seele von Zusammenbrüchen über tiefe Krater, NightTerrors, MissingPieces hin zu schreiender Verzweiflung.
Kein perfid-schöner Abgesang auf Love Peace and Harmony.
Nein, hier wird gelitten, gestorben, selbstmalträtiert, schwarzgemalt.
Doch wer jetzt glaubt, dieses Kaleidoskop des Schmerzes würde zum sofortigen Selbstmord jedes Zuhörers führen, der hat noch nie 'The Voice' gehört!!
Gnadenlos raumfüllend.
So zerbrechlich klar.
Angefüllt mit tiefstem Seelenschmerz.
Und doch so bestimmend in ihrer hymnischen Melancholie.

Der Mann nennt sich Dallas Green - ein zivilisierter Steppenwolff des 21. Jahrhunderts.
There's a degree of difficulty in dealing with me. [Little Hell]
Sein Universum - City and Colour.
Und ich war gestern Zeuge.
Zeuge magischer Energie, wenn dieser Mann anfängt, die ersten Akkorde auf seiner Gitarre zu spielen, und dabei diese unglaubliche Stimme jeden Atmer einfriert für EwigSekunden.

And I'm afraid
To sleep because of what haunts me
Such as living with the uncertainty
That I'll never find the words to say
Which would completely explain
Just how I'm breaking down

Dabei geraten gerade die Songs zu UnterDieHautKriechern, die allein von ihm in zurückgenommener Akkustikversion vorgetragen werden. Da werden Day Old Hate und Coming Home zu stimmgewaltigem Gefühlstheater, das kleine Schauer den Rücken runterjagen lässt. Ein Echo des Verlassenwerdens, ein einsames Licht in dunkler Schwere.
Aber wenn dann erstmal seine Band zu den Verstärkern greift, ja dann werden die Uptempo-Stücke ausgepackt, und die schleppend-bluesige Version von Fragile Bird haut mich einfach nur um.
(Auch wenn der Sound ziemlich übersteuert und teilweise sehr scheppernd war, was aber an den TechnikHeinis lag - ein altbekanntes Problem, wie ich schon im Vorfeld lesen konnte:-(

1,5 Stunden purer SoulRock.
Go Home! Rrrrr...
Und kein einzigstes Bild geschossen, dank der netten Security! Deshalb gibt es den hier ...


Haha.
Egal. Erstaunlicherweise fand ichs im Nachhinein nicht mal annähernd dramatisch, hier so ganz ohne Pix aufzukreuzen.
Aber es bleibt dennoch die erstmalige 'Blamage' an mir hängen, dass ich mir mein Arbeitswerkzeug habe abnehmen lassen!!:-)....

Diese Kindergartenwelt verblasst augenblicklich, wenn ich mich wieder und wieder in Greens Texte vergrabe.
Und dabei immerfort diese WahnsinnsStimme im Ohr habe.....

Well I can hear my train comin'
Looks like time is not on my side
Well I can hear my train comin'
I'm still runnin' for my life
What makes a man pray, when he's about to die?

City and Colour - Astra - Berlin - 05. Oktober 2011