Dienstag, 29. November 2011

Aufruhr im Hirn.

OFF THE LEASH.

Von der Leine gelassen.
Wie ein wildes Tier stürmt es die Sicherheitszone.
Rasend, mörderisch, obsessiv.
Dabei so unverschämt unbeeindruckt von sorgsam zurechtgezimmerten Fallgruben.
Hinterlässt es doch gleich selbst ein neues Netz aus listigen Fangeisen.
Zackbumm.
Erwischt.

Wie ein Buch beschreiben, das weder simpel, genügsam oder blosser Zeitvertreib ist?
Wie die Worte finden, wenn der radikalste-poetischste MetaphernOrkan noch immer in den Ohren schrillt?
Wie die Gedanken ordnen, wenn der Geist noch immer zittert und bebt vor expressiver Erschöpfung?
Wie dem Kopfkino eines so begnadeten Musikers und Songwriters habhaft werden, dessen Universum seit jeher um Mörder, Huren, rachsüchtige Liebende, Freaks, Verrückte kreist?
Wie, zum Teufel nochmal, dem dunklen Sumpf der Revolte entkommen, wenn die gierigen SchlickHände an dir bedrohlich zerren?
Immer weiter hinab in den Abgrund des Bösen?

Nick Caves erster Ausritt in die literarische Welt [und der datiert nun schon bereits zurück aufs Jahr 1989] ist wahrlich kein vergnüglicher Tanz auf den Wolken.
Jedenfalls nichts für zartbesaitete Mauerblümchen.
Nichts für Liebhaber theatralischer ZuckerwattenSprache.
Nichts für idealistische Verfechter von solidarischer Gemeinschaft und lauschigem Familienleben.
Nichts für missmutige RegenHasser.
Nichts für existentielle GrenzPfosten.
Nichts für all jene, die sich vor diversen menschlichen Körpersubstanzen und -flüssigkeiten scheuen.
Nichts für LeidVerachter und HorrorUnwillige.

Kawara's Thanatophanies - Perfekte Ikonen des Grauens.
Und die Eselin sah den Engel.
Das ist tausendjährig währender Rabatz für all die bis dato geltenden (Lese)Normen.
Das ist beinharte Wortgewalt.
Ein bitterböse Galle speiendes MonstrositätenKabinett, wo der Wahnsinn zuhause ist.
Das ist dreckigste Blutschande, sadistischste Scheinheiligkeit, rabenschwarzestes Mordsgezeter, tiefstes Sumpfland, abgründigster Fanatismus.
Ein kolossaler Zusammenstoss auf der Nervenautobahn.
Die intellektuelle Massenkarambolage bei Tempo 300.

Ein wahres MONSTER von Buch.


So IRREGULÄR, so ABSONDERLICH, so vollkommen BIZARR, dass es mich tagelang zum SchlafVerweigerer gemacht hat.



Konfus.
Ja, sowas von konfus.
Und von solch gewaltsamen Ausmaß, dass kein noch so bluttriefender SlasherFilm jemals an dieses Bestiarium heranreichen könnte.
Besessener des Leids.

Es ist ein Roman. Und doch eher Fragment.
Ein biblischer Exzess [im wortwörtlichen Sinn] der Entmenschlichung.
Vorgetragen von einem, der sterben wird.
Verstummt. Geschunden. Blass und blutleer.
Ein Aussätziger. Ein Wilder.
Tausendfach in den Arsch gefickt. Halbtod geprügelt. Geschändet.
Ein Getriebener. Ein Phantom.
Einer, der schon immer im Loch des Lebens feststeckte.
Und nun in seinem Schlammgrab langsam nach unten sinkt.


Der Gaumen dieses zahnlosen Grabs saugt mich hinab - in diesen Sumpf, diesen Schlund, doch hab ich Angst, mir die Mordhand naßzumachen. In Wahrheit nämlich haben die zwei Krähen es auf meine Augen abgesehen - wie falsche Fuffziger kreisen sie und lauern, während da oben die wallenden Nebel sich zusammenrollen und sterben, und jetzt merk ich, daß es dunkler wird, und bin doch erst zu einem Viertel untergegangen - höchstens - und sinke weiter.

Es ist Euchrid Eucrow, Mörder und Selbstmörder, der hier aus seinem selbst geschaffenen Grab spricht.
Ein Niemand, geboren im fernen gottverlassenen Tal der Ukuliten, einer fanatischen, bigotten Sekte.
In eine Welt hineingeschlittert, die ab diesem Zeitpunkt mehr denn je einer stinkenden Jauchegrube gleicht.
Gezeugt von einer verschnapsten Höllensau ["Zu besoffen zum Pressen" ] von Mutter und einem verkrümmt[en], von Zorn verzehrten Fallensteller als Vater. Jener ein Abkömmling des berühmt-berüchtigten Morton-Clans, einer SerienmörderFamilie voll Inzucht, Kot und Schlächterei.

#2, das ist Euchrid. #1, das ist sein Bruder, der genau wie er neben ihm in eine mit Zeitungspapier ausgelegte Obstkiste deponiert wurde. Seite an Seite stehen die Kisten völlig unbeachtet auf dem Tisch in der Hütte - schwummriges FuselLicht erhellt den Raum -, bis der Erstgeborene kurz nach der Geburt unvorhergesehen stirbt.

"Auf Wiedersehen, Bruder", hab ich zu mir gesagt, als er sich fortschlich, und eine ganze Minute lang dachte ich, auch ich würde untergehen, so verdammt kalt war sein Sterben.

Verzweifelt versucht der Winzling Euchrid in einer Art MorseSprache, bestehend aus Pochen, Klopfen und Pausen, Kontakt mit dem toten Etwas neben sich aufzunehmen [ Ich mein, woher hätt ich wissen sollen, wie verflucht tot ein Toter wirklich war? ]:

"Vergiß-Deinen-Bruder-Nicht-Antworte"
Aber das tat mein Bruder nicht. Ich klopfte ein zweites Mal und fügte am Ende ein "Bitte" an, doch wieder kam keine Antwort. Unverzagt erzählte ich ihm dann, was ich vom Leben wußte [...]
"Das-Leben-Ist-Böse-Ist-Die-Hölle-Kannst-Du-Fliegen-Höll-Hell-Hilfe"

Schon damals in seiner kleinen Kiste schwante Euchrid nichts Gutes über seinen bevorstehenden Weg.

Bis zum heutigen Tag ist es mir ein Rätsel, wie ich es geschafft hab, mein Dasein in jener Obstkiste zu überleben. Denn zu behaupten, ich sei ein geprügeltes Baby gewesen, wäre mehr als bloß ein bißchen richtig - "es wäre vollkommen richtig! Ja! Ich war ein verdammt geprügeltes Baby!"

Und wie er da so lag und grübelte [Ohja! Selbst FrischGeborenes ist sehr wohl in der Lage reflexive Loopings zu vollbringen!], stürzten kreischend Schwärme von amputierten Insekten kreisel[nd] in seine "Wiege". Geröstetes KadaverGejammer, verbranntes MottenGewinsel. Euchrid blutete vor Schreck das Hirn.

Like a Phantom.
Von dem Zeitpunkt an offenbarte sich dem schmächtigen, schattengleichen Jungen immer mehr die Abgründigkeit des Seins. Und er, er begann - zunächst zaghaft, später zwanghaft - dem ganzen  fadenscheinigen Treiben im Tal als lautloser Beobachter hinterherzujagen.
Wie ein Besessener spürte er den Zuckerrohrarbeitern und den Hobos in ihren peripheren Behausungen nach. An Fensterscheiben klebend und unter Bodenplanken steckend, belauerte er die streng bekittelten, selbst-züchtigen Frauen und Männer der Gemeinde in ihren Hinterzimmern. Er folgte dem selbsternannten HetzPrediger Abie Poe bei seinem wahnwitzigen Unternehmen, die einfältige Meute herdengleich zur 'Schlacht[er]bank' der Abtrünnigen zu führen. Er war das protokollierende Auge bei dem tagtäglichen blutrünstigen Spektakel seines Vaters, wenn dieser den noch lebenden TierFetzen, die er tagsüber in all seinen absonderlichen Falleisen gefangen hatte [Einmal aufgestellt, schrien die Fallen wie Babys.], beim finalen Gemetzel in der Pseudo-GladiatorenArena zusah:  

Wie ein verrückter Imperator hockte Pa, zwanzig Fuß hoch in der Luft, auf der Kante seines wankenden Throns und starrte in die rostige Arena, um sich an dem Massaker darin zu weiden.

Er war das absolute, allgegenwärtige Gedächtnis von Ukulore Valley, als der verblendete, irregeleitete Mob der Hure Cosey Mo auf ihrem Wohnwagenhügel eine dermaßen brutale Abreibung verpasste, dass sie kurz darauf als toter, geschundener, aufgeblähter Korpus im Graben lag.

... sie alle waren nichts als [...] Marionetten! Folterbank, Zuchtrute und Scheiterhaufen, Richtblock und Schwert, Pranger und Halseisen, Geißeln und Steine und Hexenstuhl, Peitsche und Rad, Tretmühle und Planke, Stiefel und Faust und alles andere, die ganze endlose Liste - all das lauerte im Verborgenen ...

Er war der Chronograph der sinflutartigen Regenjahre - der großen, allseits um sich greifenden Depression, dem apokalyptischen Donnerama des großen Frevels. Vernichtende Apathie in allen Seelen, elende Verderbtheit:

... trübe waren die Tage und pechschwarz die Nächte. Die Stadt brach zusammen. Manches vermoderte. Anderes quoll auf. Einiges blieb stecken, anderes versank. Manches wurde welk, und manches schrumpfte.

Obszön. Niederträchtig. Dreckig. Ungefiltert wand sich das bösartig lärmende Übel durch den Matsch. Dazu kläfften die reudigen Hunde im Tal.
What the F***!
Wie saurer Atem, der unausgegoren in der Kehle feststeckt, erstickte die Gemeinde immer mehr in Hetzerei, fiebriger Demütigung, religiöser Verbissenheit.
Eine klebrige Fratze verzerrt-versoffener Abartigkeit, die zwischen BRECHREIZ und grotesker FASZINATION hin und her torkelt.

Und Euchrid? Der wandelte sich immer mehr zum rasend-konfusen Psychopathen.
Der (selbst)ernannte Voyeur des Herrn, der bisher am Rand gelauert hatte, schwang sich vom Spitzel zum SABOTEUR auf, den finalen göttlichen Auftrag erwartend [ O Gott! Wie lange muß ich noch weitermachen? ].
Er, der KÖNIG von HUNDSKOPF, baute eine Festung aus mannshohen WellblechPlatten um seinen Aussichtsturm. Ein abgerichteter Haufen aus lefzender KöterMasse jaulte sein niederes Untertanendasein [ Meine Hunde konnten einen Hamster in Atome zerlegen! ]. Zeit ent-rückte zunehmend ins Nichts. Fieberte nahendes Grauen. Ahnungsvolles Knistern, orgiastisches Summen der Wahnbilder im Kopf des überspannt-gespenstigen Monarchen.

Hab ich euch von dem höllischen Schrecknis der "Totzeit" erzählt? Habt ihr von den Blutungen gehört? Von den "Schüttelfrösten"? Bloße Bruchstücke dahinrasenden Lebens [...]. Die Zeit durchgedreht. Nacht und Tag, Folgendes und Verfolgtes, schlagen ihre leuchtenden Himmelsbälle von Horizont zu Horizont. Sonnenaufschläge und Mondreturns versengen das Gewölbe der Zeit mit ihrem irrsinnigen Hin und Her, Vor und Zurück, Dunkel und Licht, schwingen sie wie die Uhr eines Hypnotiseurs an der Uhrkette des Himmels - O ja, wie das Gependel einer nackten Glühbirne in einem leeren Zimmer. Eine Stunde! Ein Tag! Weg! Verkrümelt! Unbefleckt und unrettbar entflohen, um nie gelebt zu sein. Wie der Blitz. "Totzeit!" "Totzeit!" [...] Ermordung meines Lebens - meiner Lebenszeit.

Das Pochen des Wahnsinns erhöhte Schlag um Schlag die Frequenz. Der erhofft katharsische End-/Höhepunkt der Mission raste unaufhaltsam Richtung Katastrophe, dabei eine Spur mentalen Terrors nach sich ziehend.

Des Wahnsinns Schwere.

...ich glaubte, mir würde der Schädel platzen, so stark war das Druckgefühl. Ich sah alles durch einen purpurroten Schleier. Neue Adern barsten unter meiner Haut. Mein Hirn tat furchtbar weh. Das Keuchen meines Atems stieg um eine Oktave...

... bis..., ja bis die Welt rot sah und König Euchrid den schweigsamen und höchst finsteren Stubenhockern, den 'komparsischen' Lesern, sein Meisterwerk offenbarte.

... [ich] dreschte mit meiner riesigen Sichel auf die ganze beschissene Welt ein, Köpfe rollen noch und nöcher, Ströme von Blut, Kloaken von Blut, Meere von geköpften und verstümmelten Frevlern. Hack! Hack! Massenausrottung, Massentod, Massenblutvergießen, alles durch meine Hand. Hack! Hack!

Oder doch nicht?
 ...

Ehrfürchtiges Staunen.
Angehaltener Atem als der ekstatische Taumel abrupt vorbei ist.
Der halbe Körper noch im zähflüssig-quengelnden Treibschlamm der letzten Seiten steckend.
Hypnotisierter Puls.
Juckende Augen.
Knisternde Stille.

Und nun?
Was bleibt von diesem erstaunlich 'leisen' Ende übrig?
Ein Hauch von feuchtem Verwesungsgeruch?
Ein zähneknirrschender Schimmer menschlicher Unheimlichkeiten?
Ein vages NachVibrieren der Sinne?

Vielleicht ist es ja einer der letzten ver-queeren Gedanken des sterbenden Euchrid Eucrow, der wie der Arbeitsgesang der Fliegen auch jetzt noch in meinem Hirn verdächtig raschelt und rauscht...?

DER TOD IST DAS PFLASTER AUF DEM SCHMERZ DES LEBENS - das ist meine Botschaft an die Welt. [eig. Hervorhebúng]


 
* * *


Nick Cave. Und die Eselin sah den Engel. 15. Auflage. Piper Verlag, 2011.
[Chapeau! auch an den Übersetzer Werner Schmitz, der ganze Arbeit geleistet hat.]



* * *

Donnerstag, 24. November 2011

"...all I wanna do now is lay down and die".

Manchmal stolpert frau rein zufällig in den größten Mist, den das Universum je hervorgebracht hat. Manchmal aber auch passiert es, dass frau unvermittelt in ein bis dato ungeahntes faszinierendes Kleinod stolpert, dessen leuchtend-vibrierendes Innenleben mit einem Mal so vehement zum Verweilen drängt, dass jeglicher anderer Klimbim geradezu entschwindet.
So geschehen letzten Sonntag, wo ich doch eigentlich meine bisher hart vernachlässigte SpanischLektion endlich angehen wollte.
Aber als ich mich dann auf youtube so von einem Zufallstreffer zum nächsten hangelte, geriet ich doch prompt in den SweetCandyWorld-turned-into-LovelySadness-Strudel der texanischen Sängerin Sarah Jaffe.
Irgendwie reiht sich deren intim-zerbrechlicher GirlNextDoorWannaCrie-Kosmos bruchlos in meinen aktuellen Soundtrack der Toten Jahreszeit ein. Ne Menge rauchig-bluesige Töne, noch mehr konkret-unkonkrete Schwermut, zahllose fragil-elegische Echos, beinharte Zermürbnis, ein wenig KnallKrawall in den Ohren, reichlich HerzschmerzPoesie und ebenso viele Heerscharen von ungebändigter symbolischer Todesmetaphorik. So gebiert sich momentan mein persönlicher MusikNovember. Und so schleicht sich auch das bezaubernde StimmenJuwel Sarah immer mehr in meinen täglichen nebelverhangenen Rhythmus.
Dunkelrotfastschonschwarz zieht sich Pretender durch meinen Hirnkanal, can't stop Swelling.
Wo ist die Stoptaste? Wo der endgültige Knockout?


Sonntag, 13. November 2011

Ach, da war doch noch was.........

[Die "üble" Vorgeschichte:

Während ich die letzten Tage zwischen Sonnenauf- und -untergang in der eiskalten Citrone hing, festgezurrt vom stupiden Promoalltag, alle Sinne weichgespült von hirnrissigen Anweisungen/Kommentaren/Sprachfetzen, und der Arghhhh!-Kreisel unerbittlich auf das Gaspedal drückte ... ja, da erinnerte ich mich. Irgendwas war doch da gewesen? Irgendwas wollt ich doch die ganze Zeit noch erledigen? Nur, zum Teufel, WAS war das gleich noch mal gewesen?????
[...]
Tag 2: Das Gehirn kramte ein wenig schuldbewusst morgens in den bereits erwachten Ecken, konnte jedoch nur tröge Verkostungs-Sichtkontakt-Verkaufs-Zahlen finden, und ich seuftzte entnervt. Wo waren nur meine ganzen Post-it's hin? Auf einen der unendlichen Klebezettlchn musste sich doch ein klitzekleiner Anhaltspunkt für meine manipulierten Denkzellen finden?!!!
[...]
Tag 4. Und ich schlitterte von einer DrückerAktion in die nächste. Derweil sich mein Apparat im Kopf bereits seit gestern von der Kopfschmerz verursachenden SupermarktBeschallungsanlage hatte einlullen lassen. Wohin sollte das alles nur führen?!!!!
[...]
Der 6. Tag brachte dann - Gottseisgedankt! - die frühere Arbeitskapazität meiner Hirnwindungen zurück.
Und deshalb gibt es hier nun auch den Bericht zum Gotye-Konzert von letzter Woche:-)
                                                                                                                                                         ]

BERLIN. Mal wieder konnte sich frau auf die Hauptstadt verlassen, wenns um bisher hierzulande noch relativ verborgene musikalische Entdeckungen geht. Noch dazu, wenn der Sound aus der australischen Ecke des "Business" kommt, die ja doch eher von der Welt unbeachtet vor sich hin produziert. Dabei aber eine beträchtliche Anzahl einzigartiger Künstler hervorbringt, die es entweder nur zeitverzögert oder gar nicht in die 'Alte Welt' schaffen. Was schade wäre, gäbe es da nicht eine wirklich großartige Fundgrube, die wohl als die "Inkarnation" des australischen Sounds gelten kann: Triple J - meine tägliche Jukebox. Wer's dann noch ein wenig ungeschliffener-progressiver haben möchte, der entert die BrandNeu-Abteilung TripleJ Unearthed mit absoluter Aussie-"Frischware".

Zurück aber zum letzten Wochenende. Zurück zum belgisch-australischen MultiTüftler Wouter DeBacker, musiktechnisch seit einigen Jahren als Gotye bekannt.
Im Herzen der Berliner Kulturfabrik nistet der FrannzClub sein etwas "alternatives" Dasein. Doch auch hier gilt, wie wohl leider heutzutage in jeder anderen VeranstaltungsLocation auch, absolutes Fotografierverbot. Was ich nicht wirklich nachvollziehen kann, angesichts einer immer medialisierteren Welt, die sich doch sekündlich in einer wahren Flut von (bewegten) Bildern manifestiert.
In so einem "medialen Loch" festhängend, gebiert die Fast-Unmöglichkeit jeglichen visuellen Festhaltens jedoch ungeahnte Konzentration auf das Wesentliche.

Ja, was soll ich resümieren? Kein so intensives WOW!, wie noch bei C&C. Aber dennoch verblüffend, wie überzeugend [ argh. Scheißwort. Help me!] Gotye seine ausgetüftelten, bis ins Detail vertieften Sounds live auf der Bühne präsentiert. Weniger episch/flächendeckend in hymnische Dimensionen gehend, eher verqueere, live noch nie SO vor dem Auge zelebrierte Klangcollagen, die einen Teppich aus elektronischen, "handwerklich" meisterhaft inszenierten Popklängen weben. Ich sag nur: Das mystisch-extravagante Miii...-irgendwas [hach, nach tagelanger Suche fand ich den Namen zu dem "Ding" endlich. Korrekt heissts: Mbira], vom Einstein persönlich zum leben/vibrieren gebracht, haha. Und dann - frau könnte meinen "Zylophon" - , was aber [auch] alles andere konnte als nur "Glockenspiel":-))) [Auch hier hat die Recherche ein mir bisher unbekanntes Töne spuckendes "Chromaharp" gefunden...]
Man sieht, der Einblick in eine mir unbekannte Welt von Klangwerkzeugen war bereits an sich beeindruckend.
Und wäre das nicht schon allein staunenswürdig, geht doch nach dem Auftakt auf einmal die AUSTRALISCHE SONNE vor meinen Eyes auf ...

  ...like this...

... und Ned Kelly grinst mich dabei vom Unterarm des oberkoolen Drummers schief-schaurig aus dem Hinterhalt an!!!
Hearts a mess, auf Platte so unwiderstehlich, schrumpft on stage -leider- auf enttäuschende Minimalgröße zusammen. Dagegen überzeugen groovige Dubstep-Nummern wie State of the Art und Don't worry.
Aber der Über-Burner schlechthin - weil mich total gefressen: "I'm addicted to a certain kind of sadness" - : Bronte.
Now your bowl is empty
And your feet are cold
And your body cannot stop rocking
I know
It hurts to let go

Since the day we found you
You have been our friend
And your voice still
Echoes in the hallway of this house
But now
It’s the end

We will be with you
When you’re leaving
We will be with you
When you go
We will be with you
And hold you till you’re quiet
It hurts to let you go


Und während die Worte mein Herz fast stehen lassen, flimmert im Hintergrund das Video vom kleinen Indianer-Waldmädchen auf mich herab, und die "BüffelBisons" [?] schauen traurig hinterher....

 

Doch irgendwie schien Mr. Gotye der ewige Tratsch-Lärm, der ständig von der Bar herüberwehte, mächtig auf den Senkel zu gehen, jedenfalls wurde das Encore gleich ohne normale Pause hintendran gequetscht. Das apatisch anmutende, sich anscheinend im DauerDämmerzustand befindende Publikum hats auch nicht anders "verdient"! Auch wenn zum Finale dann ein wenig SingAlong-Stimmung aufkam, und die Band sich noch einmal zu einer kleinen DrumSession hinreissen liess. Doch dann ein letzter Beat. Licht aus. Gehetztes Gehusche von der Bühne. C'était tout.

Setlist Gotye - Frannz Club - Berlin - 5/11/2011.

Donnerstag, 3. November 2011

FallNetz.



Wer achtet auf mich jetzt
Dass ich mich nicht verlauf
Und wenn ich jetzt falle
Wer fängt mich dann auf

In all diesen Straßen
Kenn ich mich nicht mehr aus
Da ist niemand mehr der wartet
Der auf mich wartet
Zuhaus.
...
Jetzt steh ich am Ufer
Die Flut unter mir
Das Wasser zum Hals
Warum bist du nicht hier.... 


[ Philipp Poisel: Immer mal. Wieder. Und warum nicht gerade jetzt!
À la "Wo ich bin, ist immer Herbst!".
Erst recht, wenn vermehrt in die Klaviatur des Unsagbaren gedroschen wird:
Eiserner Steg - lasst den Schweighöfer einfach mal beiseite.]

Dienstag, 1. November 2011

El Dia de los Muertos. Oder AllYearRound Halloween.

Wie ein vergnüglich-bizarres Gospel-Musical, in dem perfid neonfarbene Skelette und rotting corpses sich ein schaurig-schönes Stelldichein im Angesicht des Sensenmannes geben.
Ein "Monster Mash" [rollingstone.com] von sing-along Ghost Stories, Kinderchor und HalloweenBühnenbild.

"it's like gothic Elvis Presley from beyond the grave, accompanied by tiny tiny zombies"!!!!. Haha.

Und dabei reden wir hier von Ryan Gosling, dem oberkoolen, stoischen Driver aus der NeoNoir-Retrolook-Unterweltparabel Drive ("You look like a zombie kid") und dem Schlag-in-die-Magengrube-Streifen Blue Valentine, der so unerträglich sprachlos, desillusionierend vom ENDE zweier Nicht-Mehr-Liebenden erzählt ("I cannot take this shit anymore.").
Und dieser Gosling gebiert nun liebenswürdige kleine Graveyard-Hymnen, die mein kindisch entzücktes Herz nach immerwährender, ganzjähriger SesamStrassenMonsterShow schreien lassen. Heheh.
Nun gut, hier sind sie: Bühne auf für Dead Man's Bones .....
Lasst die Toten tanzen.