Samstag, 21. November 2015

Ram Naam Satthya Hai!


"You die, so what! You are only a thought. Your thoughts die all the time!" 
- Swami Aditya Anantanshu -

"Ram Naam Satthya Hai! Ram Naam Satthya Hai!" - Schallend dringt der vehemente Ruf mehrerer Männerstimmen von Weitem durch die engen, staubbeflusten Gassen. Noch bevor sie überhaupt visuell auszumachen sind, weißt du umgehend: DER TOD KOMMT! "Ram Naam Satthya Hai!" - Ramas Name allein ist Wahrheit! und schon hastet der Leichenzug mit seiner gold-orange glänzenden "Geschenkverpackung" an dir vorbei! Mit zahllosen saffronfarbenen Leichentüchern, glitzernden Bändern und Marigold-Blumengirlanden umwickelt, schwebt der tote Körper - nun seines Atems (der Wahrheit) beraubt - auf einer Bambustrage seinem endgültigen Ziel entgegen. Während du gerade genüßlich deinen Lassi auslöffelst, versunken bist in der sprudelnden Lebendigkeit des Augenblicks. Bizarr! Irreal! Und doch so vertraut-alltäglich in Varanasi!
Kashi, so der traditionelle Name Varanasis, ist die Stadt Vishvanah's, des Herrn des Universums (Shiva). Für die Hinduisten ist sie die heiligste Stätte überhaupt, denn wer hier am Ganga-Ufer verbrannt wird, erreicht automatisch Moksha - die Befreiung aus dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten. Und so trudeln den ganzen Tag über die Toten aus den umliegenden Stadtvierteln und darüber hinaus ein - Nicht selten fährt ein Jeep mit der leblosen Fracht auf dem Dach durch den flirrenden MittagsStau. Sein Ziel dabei: Manikarnika Ghat, dem Hauptkremationsplatz in Varanasi. Unmittelbar an den Stufen des heiligen Flußes gelegen und unverkennbarer Anziehungspunkt der "TodesTouristen". Wie sie mottengleich dem Feuer entgegenströmen, folge auch ich dem Sensenmann! Dränge mich durch das schmale, fast klaustrophobische GassenLabyrinth, vorbei an mampfenden Kühen und zahllosen "Have-A-Look!"-Shopbesitzern. Weiche dabei sekündlich einem verrückten Mopedfahrer oder den allgegenwärtigen, frisch platzierten Scheißhaufen aus. Nach wenigen Minuten öffnet sich der zusammengedrückte Straßenzug hin zu einem mit kleinen TeeBretterbuden, verrußten Tempeltürmchen und massiven Holzstapeln versehenen Platz. Der sogar dem schwammigen Himmel ein wenig Bewegungsfreiheit einräumt. Du stapfst auf den glitschigen Treppen eines düsteren Durchgangs hinunter, eine starr-wuselige Männerhorde "erwartet" dich. Du kämpfst dich durch die Körperansammlung hindurch, schwerer Rauch flutet bereits deine Nase. Dann weitet sich dein Blick auf eine ungewohnte, expressive Szenerie: Auf mehreren Terrassen gleichzeitig brennen an die zwanzig "Scheiterhaufen"! Mal im glühenden Endstadium, mal gerade entfacht. Daneben, auf den Stufen zum Ganges: fünf bis sechs "Geschenkpakete" in der Warteschleife. Dazu der "Nachschub", der fast minütlich aus den Gassen eintrudelt. - PRIMETIME in der TODESZONE! - Was war denn gestern nur los, dass soviele heute hier gelandet sind?? Kein einziges Mal seit meiner Ankunft habe ich in Manikarnika solch immense Geschäftigkeit und LeichenAnstauung gesehen!


Ich sondiere das Geschehen, mein Blick schweift von den mit wuchtigen Holzstücken beladenen Känen unten im Wasser, über die erste brennende Etage der niedersten Kaste (aus Platzgründen wird sogar der schmale Streifen direkt am Fluß genutzt!) und dem emsig eindreschenden Spalter der verwurzelten Scheite hinauf zu der direkt vor mir liegenden Kremationsfläche. Dort bleiben meine Augen urplötzlich hängen: Aus zwei der lodernden Flammenhaufen ragen blanke menschliche Füße heraus! - Wie störrisch-dürre Äste, wie klumpig-verrenkte Attrappen! Energisch schiebt der zuständige Dom (Kremations-"Wärter"/Wächter des Heiligen Feuers) die widerspenstigen "Körperteile" zurück ins Feuer, sodaß auch sie von Agni, dem Gott des Feuers, vernichtet werden können.

"Agni is the fire and that which is consumed, the poison and the cure, the beginning and the end, the beginning without an end, the end without a beginning. He is immortality and death. He reduces everything to ashes, a condition which cannot be reduced further and has thus reached eternity. He will be the one to set our pyre alight and swallow our body. He served the purposes of making chai, cooking rice, keeping mosquitoes away and consuming the ego."
                                   - aus Patrick Levy: Sadhus. -

Es schmort und "brutzelt", starker, schwärzlicher Qualm fräst sich in die Luft, weht herüber, macht das Atmen unglaublich schwer. Stechende Hitze umflimmert mich, die Augen brennen, Ascheteilchen regnen auf mich hernieder. - Ich muß immer wieder ein Stück zurück, da meine Lungen bereits zu schmerzen beginnen.
Es riecht unverkennbar nach MENSCHLICHEM "BARBECUE"! - Doch in Manikarnika gibt es keine Pause, kein Stillstand. Zu viele wartende "Kunden" heute. - Im Hinduismus wird das Verbrennungsritual als Voraussetzung angesehen, um die Seele zu reinigen und vom nun "wertlosen" Körper zu befreien. Frauen sind seit einiger Zeit nicht mehr zugelassen, denn ihr Wehklagen würde die Seele beim Entweichen/Aufsteigen "stören". Zudem kam es leider immer wieder zu Fällen von Sati - der selbstopfernden Witwenverbrennung, bei der sich die Frauen mit ins Feuer des Ehemannes stürzten.
Aufgrund der heutigen Rush-Hour warten die Doms das vollständige Herunterbrennen der einzelnen Stapel nicht ab, sondern drängen den kahlgeschorenen HauptTrauernden der Familie, die Feuerreste symbolisch mit einem Tonkrug zu löschen, bevor er selber halbherzig mit ein paar Eimern Ganga-Wasser nachhilft. Ehe ich mich umgesehen habe, ist bereits der nächste Scheiterhaufen aufgeschichtet, das nächste "pompöse Geschenk" entpackt, auf das Holz geschmissen und auf die letzte Reise gebracht worden. - Der Nächste, bitte!
Trotz dieser permanenten Betriebsamkeit verströmt dieser Ort, "Maha Shamshana" - Der Große Kremationsplatz der Welt - eine unbeschreibbare Ruhe, ja fast transzendierende Stille. Das Schweigen des allgegenwärtigen Todes. Gekoppelt mit der "Emotionslosigkeit", oder vielmehr Gelassenheit der anwesenden Familienmitglieder, in deren Gesichtern eher subtile Ernsthaftigkeit als bestürzte Trauer auszumachen ist. Schlichtes Einvernehmen mit dem Ende. - "Paradoxer" Weise steht Manikarnika aber nicht nur für Tod, Verbrennung, Moksha, sondern ist zu gleichen Teilen ein faszinierender Ort der Vitalität. Chai-wallas laufen mit ihren Blechkannen durch die Reihen, bieten den überall heißgeliebten Gewürztee in kleinen Plastebechern oder Tongefäßen an. Daneben sind die zumeist älteren Männer auf ihren Beobachterposten in irgendwelche Besprechungen vertieft, werfen ab und an einen weitschweifigen Blick auf die Szenerie, bevor sie sich wieder "wichtigeren" Themen zuwenden. Und mittendrin in der "Todeszone" schlurft eine Kuh ihres Weges, auf der Suche nach der nächsten Blumengirlande zum Verfuttern.


Ein sonderbares Gefühl befällt mich ein ums andere Mal, wenn ich mich dieser kuriosen Ansammlung von teils alltäglichen, teils "unkonventionellen" Details hingebe. Manikarnika kommt mir wie ein eigenwilliger, wundersamer Mikrokosmos vor, der genauso von strikten Regeln beherrscht wird, wie er immer wieder von der indischen "ChaosMentalität" durchbrochen wird. Und beschwört trotz der steten Präsenz von Handys und Plastikmüll ein lebendes Bildnis der einstigen Vergangenheit Indiens herauf. So wie auch schon vor Jahrhunderten lodert noch heute das ewige Heilige Feuer, das jeden einzelnen Brand erneut entfacht (Feuerzeuge oder andere Zündmittel sind hier nicht erlaubt.). Und so wie einst, geleitet auch im modernen Zeitalter Shiva persönlich jeden "Neuankömmling" in die andere Welt hinüber.
Namah Shivayah!

Montag, 16. November 2015

Relax! The World Is Maya.


"Give up running after life because you are life." 

"Birth and death are only an idea which takes the shape of a body, then leaves it. This idea is a character in the dream of Brahman whose universe is the play. If the idea is transcended, being alone remains." 

 - Anand Vishvatma Saraswati Baba -

[Patrick Levy - Sadhus. Going Beyond The Dreadlocks.] 

In Zeiten des Terrors.


Samstag, 14. November 2015

Einmal Himalaya hin und zurück, bitte!

Wie fange ich an, etwas zu beschreiben, was gefühlt eine halbe Ewigkeit zurückliegt? Was eigentlich im sprichwörtlichen Sinne unbeschreibbar ist? Etwas, was man nur selber am + mit dem eigenen Körper erfahren/erlitten/bewältigt haben muß? Etwas, dass es so nur einmal auf der Erde - im majestätischen, kaum begreifbaren Himalaya, dem "Dach der Welt" gibt?
Etwas, dass mich so oft sprachlos + "klein" werden ließ. Dass mich jeden verdammten Tag, jede einzelne Minute physisch herausforderte!
Mir, dem selbsternannten "Wortzauberer", fehlen jegliche Worte!
Und ich muß gestehen: Ich vermisse sie! Jeden Moment, seitdem wir in diesen RumpelPartyBus nach Pokhara gestiegen sind! - Stell dir vor: Vier Wochen lang schmeißt du dich 5:30 aus dem Bett, mampfst köstlichstes Tibetan Bread in dich hinein, schlürfst hingebungsvoll an deiner Tasse Massalatee, schwingst dir wortlos deinen 12kg-Rucksack auf die Schultern, und fängst einfach an loszuschlappen. Jeden Morgen das gleiche unhinterfragte Ritual. Jeden Tag kämpfst du mit deinen Wehwechen, deinen Rückenschmerzen, deinem Ziehen im Arsch, deinem trotzigen Ego, das jetzt eigentlich ABSOLUT keine Lust mehr hat weiterzumaschieren. Und dennoch läufst und läufst du wie ein fremdgesteuerter Roboter um dein Leben. Der Blick nur nach vorn gerichtet, einzig fokussiert auf den nächsten Schritt, die nächste Stufe, den nächsten Brückensteg, den du zu überwinden hast. - Diese unbedingte Augenblicklichkeit, totale Gegenwärtigkeit, die du mit jeder Sekunde ein- und wieder ausatmest! Du bist dermaßen in und mit dieser "Körperlichkeit" des Auf+Absteigens verbunden/"gefangen", dass dein Geist automatisch mit jedem erarbeiteten Höhenmeter stiller wird - bis er irgendwann ganz verstummt. Dann erreichst du beinahe so etwas wie die Stufe der "übernatürlich-inneren Leere". Du stiefelst ganz für dich "allein" durch diese anfangs noch schwül-tropische Reislandschaft, die später in kargste Mondlandschaft übergeht. Du bist bei dir. Und nur bei dir. Hörst einzigst auf die Rückmeldungen deiner Beine, deiner Atmung. Wie geht es mir gerade? Was brauche ich jetzt? - Tag für Tag einfach "Sein". Die äußere Stille, die in dir widerhallt. Eine nie dagewesene Tiefenentspannung. Stresslosigkeit. Dein Geist reduziert auf minimalste Existenzentscheidungen: Essen. Dusche. Wäsche waschen. Bergeguckn. Teetrinken. Schlafen. Das täglich immer wiederkehrende Erstaunen über das Erreichte. Über die eigenen Teilerfolge - wenn du merkst, dass es dir von einem QuälAufstieg zum nächsten ElendsAufstieg immer leichter fällt, bis du letztendlich fast "hinauffliegst", in einem wahren Rauschzustand. - Wir wurden nicht umsonst die "SpeedQueens" getauft!:-)
Und jeden Tag die immer wiederkehrende Freude, endlich angekommen zu sein! Allen Packesel-Ballast von dir zu schmeißen. Unter den mal warmen, mal eiskalten Wasserstrahl zu stehen und jegliche Anstrengung von dir zu reiben. Ungeduldigstes Warten aufs Essen - Mit einer für mich untypischen Lust und Seligkeit mampfe ich wie ein Scheunendrescher! - Was gibt es Schöneres?!!! - Dann sackt dein gepeinigter, muskelgestärkter Körper in den AbspannModus. Will sich nicht mehr aus dem Stuhl bewegen. Will nur noch literweise den heißgeliebten MassalaTee trinken (Unsere KaffeeErsatzDroge.) und Buch lesen (Wenn man denn eins dabei hätte, haha!). - Diese unvorstellbar einfache Glückseligkeit, ohne jegliche "westlich-nervige" Ablenkung! Sie läßt dich auch wie ein Kleinkind spätestens um 19/20 Uhr in deinen kuscheligen Schlafsack sinken. EndeAusMickeyMaus. Am darauffolgenden Tag beginnt das gleiche "Spiel" von vorne. Ohne Wenn und Aber. Ohne irgendwelche ich-verliebten Ansprüche. Du gibst alles, wozu du imstande bist und nimmst dankend an, was dir zurückgegeben wird.
Manchmal ist das Leben so einfach wie ein Schneemann!

Fast immer laufen wir schweigend neben oder nacheinander den steinigen Weg entlang, die Vorderfrau bestimmt die Richtung, die Nachhut - meistens der schlabbrige "Schlendrian"-G.Fish - eiert hinterher. Ich merke sofort nach dem morgendlichen Start, ob ich gut oder eher mies gelaunt bin, ob ich mich fit fühle oder "verbraucht". Wenn der Goldfish eine "grandiose" AufstehPhase erwischt hat, dann ist er für alle in seiner näheren Umgebung "erschreckend" grußfreudig: Ein breit grinsendes "Namaste!" zu allem und jeden, der uns entgegen kommt. Nummer2 schaut mich dabei leicht "argwöhnisch" von der Seite an. - Jaa, ich kann auch anders! - Wenn ich dagegen, oder eher wohl mein unverkennbar energisches Ego, schlaff + kraftlos den Morgen beginne - sei es durch die ersten 12! "SCHLAFLOS IN NEPAL"-Tage, die ich mir immer noch nicht so recht physikalisch erklären kann, sei es durch lethargisch-müde Beine, die sich am Anfang des Treks gewaltigst umzustellen hatten - von trägem "CouchPotato" hin zur täglichen Workout-Manie - , bei gnadenlos-unendlichen Steinstufen-Abschnitten, die gerne auch schonmal eine ganze Tagesetappe anhalten können, oder der am Ende streckenweise einsetzenden "Naturmüdigkeit" (Was macht der G.Fish eigentlich SO lange hier in den Bergen? - No1: "Ich hasse Berge." No2: "Waaaaaas?....") - Wenn ich mich also in diesem egoistischen Kleinkind-Aggro-Zustand befinde, dann fluche ich innerlich wie ein verzweifelter Rohrspatz, der gerade glaubt zu krepieren, schiebe automatisch meinen gesamten Frust auf die zweite anwesende Person (Wie bequem diese Verantwortungsabgabe!), muss mich dann beim SelberErtappen konsequent ermahnen ("Bloß weil du kleiner Hosenpisser gerade keinen Bock mehr auf nix hast, brauchst du hier nicht wie ein armseliges Würstchen wehklagen. Nummer2 kann absolut nichts dafür, dass du deinen untrainierten Körpersack hier durch die Gegend schleppst. Sie hat nicht Schuld, dass hier gerade alles so schonungslos öde und staubig ist und du nen Scheiß gibst auf diese Landschaft! Halt die Klappe und lauf!").
Wer sich nicht beschwert, wird hiermit belohnt!
Und wie erstaunlich "geschmeidig" sich die beiden Goldfishe während des gesamten Treks ergänzt haben! Noch NIE verbrachte ich 24/7 soviel Zeit mit einer anderen Person, ohne dass ich auch nur kleinste "Auf-den-Sack-Geh"-Anzeichen verspürt habe! In einer äußerst respektvollen, sich aufeinander abstimmenden und meist übereinstimmenden Weise haben wir beide die "Once In A Lifetime"-Erfahrung gemeinsam durchlebt. Waren beide, mal mehr, mal weniger frisch motiviert, wenns ums alltägliche Losdippeln ging, waren beide unglaublich erleichtert beim Erreichen des Tagesziels, hielten beide die Klappe, wenn nichts gesagt werden mußte (Zusammen mit dem Anderen schweigen, ohne sich unwohl zu fühlen, ist einzigartig.). Fieberten beide ungeduldig-gespannt den Leckereien aus der Küche entgegen, laberten über die essenstechnisch komplizierte Psychologie von Kindergartenkinder, über fatale Nicht-Kommunikation und eben auch "Verantwortungsabgabe". Sie ließ mir genug Raum, um ICH selber zu bleiben. Nahm mir kaum etwas übel (Es sei denn, ich "bestand" darauf, ja nicht zurückzulaufen, während No.2 aus "Sicherheitsbedenken" den Rückwärtsgang einlegen wollte! - Die einzige, kurz-konfuse Szene zwischen uns auf dem elend langen PassAbstieg nach Muktinath, bei der unsere NavigationsStrategien zu stark auseinander drifteten. Und bei der der G.Fish sein garstiges NEIN!-Ego zurückpfiff, um No.2 in die andere Richtung zu folgen:-). Eine ReiseGefährtin, die auch ohne Dusche+"Luxus" entspannt blieb (Selbst wenn wir nur in der Blechhütte übernachtet haben.). Deren Dal-Bhat-Fixiertheit (24 Hours!) und "Führer-Hörigkeit" ich amüsiert zur Kenntnis nahm (genauso wie ihren "Gehfehler", ihre unfassbar langsame Art zu rauchen und die in meinen Augen leicht chaotische Packweise ihres Rucksacks :-) - All diese Kleinigkeiten, die bei einer so langen, gemeinsam verbrachten Zeit unweigerlich irgendwann ins Auge fallen, machen am Ende die Person an deiner Seite unsagbar "besonders". Und du lernst es wahrlich zu schätzen, dass da Jemand ist, mit dem du all die großen Leiden, genauso wie die kleinen AlltagsKuriositäten teilen kannst. Mit dem du lachen kannst, selbst wenn es gerade ziemlich "arg abgeht"! Jemand, der mitschaut, der vielleicht im passenden Moment das richtige Händchen für den Weiterweg hat. Ein zweiter "Goldfish", der dein eigenes VergesslichkeitsSyndrom mit dir teilt! :-) - Wir blieben beide gleichzeitig fasziniert stehen, wenn uns mal wieder einer der schneebedeckten Gipfel grüßte (Deinen "Ersten" vergißt du nie!), hatten manches Mal die selben unausgesprochenen Gedankengänge ("Ach was?!") und durch sie war "TierkinderSchwärmerei" legitim.
Gemeinsames Highlight No.1 - Thorung La auf 5416m.

UNAUFGEREGT-AUFREGEND, so waren diese sieben Nepal-Wochen mit dir, meine zweite Hälfte! Ich danke dir für jede Sekunde, die du mit mir "ausgehalten" hast!:-) Für jeden Moment, bei dem ich das Gefühl hatte, nicht allein zu sein (mit all meinem SelbstLeiden oder auch der ungebändigten Freude, die genauso ab+an ein Ventil braucht). Es war für mich vor allem ein "soziales Experiment" - Ihre Frage "Wozu brauchst du mich eigentlich?" ist einfach zu beantworten: Ohne dich wäre ich niemals auf die Idee gekommen, zum Trekking nach Nepal zu gehen (ICH und "WANDERN"? ... NIEMALS!)! Ohne dich wäre all das Durchlebte weniger spannend und "farbenreich" gewesen! Und ohne dich wäre ich nicht gezwungen gewesen, soviel Abstand von meiner ICH-Zentriertheit und Isolation zu nehmen! Dank dir weiß ich: Ich bin garnicht so "asozial", wie ich immer gedacht habe:-) Und: Ich übte mich nach langer Zeit mal wieder darin, Kontrolle abzugeben (oder vielmehr abgeben zu müssen/dürfen) und sich dabei dennoch nicht "unwohl" zu fühlen. - Du hast mir einige fundamentale Lektionen des "Zusammenseins" erneut näher gebracht, ohne hierbei allzu "aufdringlich" zu sein! DANKE!
[Mein erster, leicht hilfloser Gedanke nachdem ich dich am Kathmandu-Airport abgeliefert hatte: "Und wer passt nun auf mich auf?" sagt Einiges!:-) - Habe mich wahrscheinlich zu sehr an deine unmittelbare Gegenwart gewöhnt, hehe! - Aber keine Angst! Das hier soll nicht zu einer "Liebeserklärung" an dich ausarten, also Schluß jetzt!]
ABSOLUT-Highlight No.2 - AnnapurnaSanctuary - dem WahnsinnsAmphitheater in eisigen 4130m.

Ich habe mir geschworen: Ich werde, nein! ICH MUß WIEDERKOMMEN!
Bin bereits durch andere, mir berichtende Trekker auf neue Herausforderungen in den MajestätsBergen gestoßen, die ich kaum abwarten kann anzugehen! Und mein sehnsüchtiger, leicht "schmerzender" Blick zurück, als ich beim Abflug von Kathmandu, auf der rechten Seite sitzend, diese grandiose Endlos-Himalaya-Kette noch einmal von oben erspähe, spricht wohl Bände!!!...

Ps. Alle Bilder zu Lost In Nepal-India finden sich hier. Viel Spaß!]

Sonntag, 8. November 2015

Holy Namaste!


Samstag, der 19. September, die Uhr zeigt 10:45 Uhr. Seit mehr als 48h bin ich dauerwach und unterwegs. Mein Geist fühlt sich schlapp und elend an. Mein Körper sehnt sich dringend nach Dusche und Schlaf. Ich stehe in diesem bräunlichen 70er-Jahre-"Schuppen", der eigentlich ein Flughafen sein soll und warte unendlich lange auf mein Gepäck. Wuselige Hektik um mich herum, schwitziger Dunst dringt von außen herein. Eine letzte, leicht chaotisch-konfuse Sicherheitskontrolle, die mehr ein laxes Durchwinken als striktes Durchsuchen ist. Ich ströme schwer bepackt nach draußen - grell-schwüles Licht und 1000 schreiend-fuchtelnde Menschen "begrüßen" mich mit voller Schlagbreite. "Taxi, Taxi, Madam! Taxi, Taxi!"  - Der Goldfish ist endlich in Kathmandu angekommen - NAMASTE! oder doch eher Holy Shit???....
Vor einem verwirrenden NamensSchilderwald stehend, blicke ich mich verzweifelt suchend um: Wo ist meine andere Goldfish-Hälfte nur? Hilfe!!! -  Sie entdeckt mich zuerst, rettet mich mit ihrem vertrauten Gesicht und einem auch leicht von Müdigkeit gezeichneten Grinsen aus meiner Ankunfts(hilfs)losigkeit, und bevor ich es realisiere, werde ich vom nur schemenhaft wahrgenommenen Hotelbesitzer ins PickUpTaxi verfrachtet und los geht unsere KamikazeFahrt durch KTM! Auf der Rückbank sitzend, in einem Zustand zwischen purer Erschöpfung und "What The Hell?", braust unser MiniVan durch eine StaubAbgasGewimmel-Kulisse, ZickzackSlalomlauf mit höchster Suizidgefahr, da hier nicht nur Linksverkehr herrscht sondern auch keine Fahrbahnen, Ampeln oder gar irgendwelche Regeln existieren! Jeder erdrängelt sich mit immenser Hup-Unterstützung seinen Weg, Fußgänger sind dabei ganz unten in der Rangordnung. Vorbei an trostlos-baufälligen Häuserkonstruktionen, kunterbuntesten ReklameWirrwarr, verheißungsvollem hinduistischen Festivalzelt (Ohhh, was war das denn? Haste auch gesehen? - Und schon ist es wieder aus dem Blickfeld entschwunden.) erreichen wir Thamel - DIE TouriHochburg von Kathmandu. Und auch die erste Station unseres Nepal-"Experiments".
"Was ist Thamel?" Genau DAS! Jeden Tag. Jede Stunde. Ohne Atempause.
Kaum das Hotel wieder verlassen, stürmt der unablässige Trubel wieder auf uns ein: Geglotze, Gehämmere, Angelabere, Gedränge, Gerotze. Eine gefährliche Melange aus Essensgerüchen und Räucherstäbchen, drückender Hitze und Tempelmeer, penetranten "Guide/Porter/Smoke?"-Angeboten, brodelnd-brutzelnden Straßenküchen und turbulenten Marktständen, trötenden Straßenkindern und armseligen Bretterbuden. Kathmandu - ein ewiger Staubmoloch, gnadenlose Touristenhölle, EndlosMüllhalde, wuchernde Neuzeit, beweihräucherte Vergangenheit? Alles davon, und das in maximalster Dosis. Jeder "normal" denkende Mensch, jeder Hausarzt, jede empfindsame Seele würde sofort mit massiven Schweißausbrüchen reagieren. Der Puls hämmert mit viel zu hoher Schlagzahl, alle Sinne fahren 24-Stunden-Karussell. Ich bin leicht überfordert, gestresst, erdrückt, auch wenn mich meine bisherigen OnTheRoadErlebnisse vor der totalen Niederstreckung bewahren. Aber was mit hundertprozentiger Sicherheit hier gesagt werden kann: Die ersten KTM-Tage in deinem Leben fordern alles von dir! Sie fordern dich und deine Aufnahmefähigkeit heraus, sie überrumpeln, quälen und locken deinen Geist ohne Unterlaß, immer bereit für Sieg oder Niederlage.
So ist es kein Wunder, dass wir nach vier Tagen Hauptstadt-Durcheinander den Bus in Richtung Himalaya, den magisch-verheißungsvollen Bergen nehmen. Man kann sagen: Wir "flüchten" regelrecht aus KTM - ohne zu wissen, ob dort, wo wir in unserem Rumpelgefährt hingebracht werden, die nächste "Hölle" oder ein ungeahntes "Paradies" auf uns wartet...
"Sauron" läßt grüßen...

Kathmandu - Mittwoch, der 4. November. Ich befinde mich auf meinem Schlängelparcours durch die engen Gassen von Asan, mein heutiges Ziel ist Patan/Lalitpur - die "Stadt der Schönheit" - einst eine unabhängige Königsstadt neben KTM und Bhaktapur, heute fließend ineinander übergehend. Beim Gedanken an mein damaliges AnkunftsSzenario vor sechs Wochen muß ich automatisch innerlich lächeln: Wie ich mich nun nahtlos in die Alltagskulisse der nepalesischen Hauptstadt - dem einst von mir so beschimpften "Drecksloch" - einfüge, galant meinen Weg entlang der überfüllten Hauptstraßen finde, so tiefenentspannt den ganzen "Zirkus" in mich aufnehme und dabei immer wieder dem subtilen Reiz, der unumwundenen Faszination kleinster Details erlegen bin, erscheint mir meine anfängliche, leicht gestresste "Abneigung" meilenweit entfernt, ja ein bißchen auch "kindisch". Natürlich habe ich in der Zwischenzeit zudem ein ganz anderes, stilles, ja ehrfürchtiges Nepal erleben dürfen, das mich mit der Monumentalität seiner heiligen, schneebedeckten Gipfel ein ums andere Mal hat staunen lassen. Das mich mit der "Körperlichkeit" und der Reduzierung auf minimalste Bedürfnisse so "entleert" und vereinfacht hat, dass ich nun auch endlich in einem Stadium unbedingter Reiselust angelangt bin. - Ein Zustand mentalen Fließens, der ausschließlich der Erhabenheit des Moments gehorcht.
Aus dieser "höheren" BetrachtungsPerspektive heraus, gebe ich allen zukünftigen KathmanduReisenden nun folgende, ganz persönliche "Empfehlungen" mit auf den Weg. [Und Touristen braucht das Land! Da Nepal fast ausschließlich von diesem Sektor lebt! - Jetzt, nach dem "Horrorjahr" 2015 mit den immer noch nachwirkenden Erdbebenschäden und der aktuellen, selbst das alltägliche Leben beeinträchtigenden Grenz"Blockade" mit Indien um so mehr!]

How to Survive Kathmandu?
Merke dir eines ganz genau: Diese Stadt fordert deine volle Aufmerksamkeit! Und zwar rund um die Uhr! Denn sie legt dir in jeder Sekunde zahllose mögliche "Stolpersteine" vor die Füße: Unablässiges Gewimmel in den schmalen Gassen. Spuckende/schlurfende Nepalis, drängelnde Mopeds und Rikshafahrer, streunende Straßenköter, hupende Taxis - sie alle können zu einer abrupten GehBlockade werden. Scheißhaufen und unvermittelte Baulöcher befördern deinen Blick automatisch (und immer!) nach unten. Leicht verzweifelt wirkende Shopbesitzer (Wer kann es ihnen in diesen wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten verübeln!), TrekkingAgenten, "Heiratsvermittler", Fiedler und Flötenspieler, Haschischverkäufer ("Psst, smoke?" "Want something?" - und das bereits am ersten Tag!!!), Lumpenbettler, "Verrückte" (Die Weihnachtsfrau:-) - sie alle wollen etwas von dir! Und zwar dein Geld! Denn als Touri bist du unweigerlich für die Nepalis eine laufende Geldbörse, die nur angezapft werden muß. Motorheulen, lautstarke Diskussionen der neuesten Nachrichten, Schlagbohrerkreischen, Generatorengebrumme und ewig-gleiches Musikgeplärre ("Om Mani Padme Hum" an jeder Ecke) belasten selbst das toleranteste Gehör irgendwann. Die permanente, sämtliche Abgasnormen überschreitende Luftverschmutzung raubt dir mindestens ein paar deiner wertvollen Lebensmonate - Nimm sie einfach in Kauf! Das "Unperfekte"/"Unfertige"/"Unzuverlässige" in allem und jeden, ob nun abenteuerliche Bauweise, "Arbeitsmoral", Busfahrpläne oder Geschäftemacherei, sind zunächst ein massiver Affront gegen die gewohnte, westliche Leistungs- und PerfektionsMentalität.
Eigentlich ein konstantes mentales ZERREN, ZIEHEN, ÜBERWÄLTIGEN, ÜBERFORDERN, BEDRÄNGEN! Der normale Wahnsinn der Straße! Der die "unschuldige", Privatsphäre und Stille liebende, schnell genervte, verwöhnte westliche Seele komplett an die Wand presst - alle bisherigen Sinnesgrenzen ultimativ herausfordert, so dass jegliche Alarmglocken zu schreien beginnen.  - Und dennoch: Wenn man die Gelassenheit und die augenscheinliche Leichtigkeit der Nepalis beobachtet, begreift (Auch wenn sie natürlich, und im Moment noch um ein Vielfaches verstärkt, ein härteres, unsicheres, abstruseres Leben zu meistern haben, das jeden Tag/jede Minute existentiell bedrohlich werden kann!), wenn man in diesem wilden Strudel einfach mitschwimmt, Tag für Tag die kleinen "Geschenke" dankbar annimmt (ob nun ein erstaunt-verhuschtes-offenes Lächeln, der Blick in ein vom Alltag gezeichnetes Gesicht, das soviel mehr erzählt als jede abgeschliffene Oberfläche, ein unerwarteter "Straßenfund", ein gelungenes Porträtfoto, das Abfangen eines Moments absoluter spiritueller Vertiefung, die strahlenden Augen eines kleinen Mädchens, das von seinem Vater einen Luftballon geschenkt bekommt...) - Wenn man zum "MEISTER DER STRAßE" wird und alles, wie es nun einmal ist, in sich aufsaugt, zur persönlichen, grenzerweiternden "Bereicherung" benutzt .... dann kann und wird man in Kathmandu/Nepal aufs Höchste und mit einer unglaublichen Lebenslust "überleben"!!!
Der normale "Wahnsinn der Straße" in Nepal.