Samstag, der 19. September, die Uhr zeigt 10:45 Uhr. Seit mehr als 48h bin ich dauerwach und unterwegs. Mein Geist fühlt sich schlapp und elend an. Mein Körper sehnt sich dringend nach Dusche und Schlaf. Ich stehe in diesem bräunlichen 70er-Jahre-"Schuppen", der eigentlich ein Flughafen sein soll und warte unendlich lange auf mein Gepäck. Wuselige Hektik um mich herum, schwitziger Dunst dringt von außen herein. Eine letzte, leicht chaotisch-konfuse Sicherheitskontrolle, die mehr ein laxes Durchwinken als striktes Durchsuchen ist. Ich ströme schwer bepackt nach draußen - grell-schwüles Licht und 1000 schreiend-fuchtelnde Menschen "begrüßen" mich mit voller Schlagbreite. "Taxi, Taxi, Madam! Taxi, Taxi!" - Der Goldfish ist endlich in Kathmandu angekommen - NAMASTE! oder doch eher Holy Shit???....
Vor einem verwirrenden NamensSchilderwald stehend, blicke ich mich verzweifelt suchend um: Wo ist meine andere Goldfish-Hälfte nur? Hilfe!!! - Sie entdeckt mich zuerst, rettet mich mit ihrem vertrauten Gesicht und einem auch leicht von Müdigkeit gezeichneten Grinsen aus meiner Ankunfts(hilfs)losigkeit, und bevor ich es realisiere, werde ich vom nur schemenhaft wahrgenommenen Hotelbesitzer ins PickUpTaxi verfrachtet und los geht unsere KamikazeFahrt durch KTM! Auf der Rückbank sitzend, in einem Zustand zwischen purer Erschöpfung und "What The Hell?", braust unser MiniVan durch eine StaubAbgasGewimmel-Kulisse, ZickzackSlalomlauf mit höchster Suizidgefahr, da hier nicht nur Linksverkehr herrscht sondern auch keine Fahrbahnen, Ampeln oder gar irgendwelche Regeln existieren! Jeder erdrängelt sich mit immenser Hup-Unterstützung seinen Weg, Fußgänger sind dabei ganz unten in der Rangordnung. Vorbei an trostlos-baufälligen Häuserkonstruktionen, kunterbuntesten ReklameWirrwarr, verheißungsvollem hinduistischen Festivalzelt (Ohhh, was war das denn? Haste auch gesehen? - Und schon ist es wieder aus dem Blickfeld entschwunden.) erreichen wir Thamel - DIE TouriHochburg von Kathmandu. Und auch die erste Station unseres Nepal-"Experiments".
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| "Was ist Thamel?" Genau DAS! Jeden Tag. Jede Stunde. Ohne Atempause. |
So ist es kein Wunder, dass wir nach vier Tagen Hauptstadt-Durcheinander den Bus in Richtung Himalaya, den magisch-verheißungsvollen Bergen nehmen. Man kann sagen: Wir "flüchten" regelrecht aus KTM - ohne zu wissen, ob dort, wo wir in unserem Rumpelgefährt hingebracht werden, die nächste "Hölle" oder ein ungeahntes "Paradies" auf uns wartet...
| "Sauron" läßt grüßen... |
Kathmandu - Mittwoch, der 4. November. Ich befinde mich auf meinem Schlängelparcours durch die engen Gassen von Asan, mein heutiges Ziel ist Patan/Lalitpur - die "Stadt der Schönheit" - einst eine unabhängige Königsstadt neben KTM und Bhaktapur, heute fließend ineinander übergehend. Beim Gedanken an mein damaliges AnkunftsSzenario vor sechs Wochen muß ich automatisch innerlich lächeln: Wie ich mich nun nahtlos in die Alltagskulisse der nepalesischen Hauptstadt - dem einst von mir so beschimpften "Drecksloch" - einfüge, galant meinen Weg entlang der überfüllten Hauptstraßen finde, so tiefenentspannt den ganzen "Zirkus" in mich aufnehme und dabei immer wieder dem subtilen Reiz, der unumwundenen Faszination kleinster Details erlegen bin, erscheint mir meine anfängliche, leicht gestresste "Abneigung" meilenweit entfernt, ja ein bißchen auch "kindisch". Natürlich habe ich in der Zwischenzeit zudem ein ganz anderes, stilles, ja ehrfürchtiges Nepal erleben dürfen, das mich mit der Monumentalität seiner heiligen, schneebedeckten Gipfel ein ums andere Mal hat staunen lassen. Das mich mit der "Körperlichkeit" und der Reduzierung auf minimalste Bedürfnisse so "entleert" und vereinfacht hat, dass ich nun auch endlich in einem Stadium unbedingter Reiselust angelangt bin. - Ein Zustand mentalen Fließens, der ausschließlich der Erhabenheit des Moments gehorcht.
Aus dieser "höheren" BetrachtungsPerspektive heraus, gebe ich allen zukünftigen KathmanduReisenden nun folgende, ganz persönliche "Empfehlungen" mit auf den Weg. [Und Touristen braucht das Land! Da Nepal fast ausschließlich von diesem Sektor lebt! - Jetzt, nach dem "Horrorjahr" 2015 mit den immer noch nachwirkenden Erdbebenschäden und der aktuellen, selbst das alltägliche Leben beeinträchtigenden Grenz"Blockade" mit Indien um so mehr!]
How to Survive Kathmandu?
Merke dir eines ganz genau: Diese Stadt fordert deine volle Aufmerksamkeit! Und zwar rund um die Uhr! Denn sie legt dir in jeder Sekunde zahllose mögliche "Stolpersteine" vor die Füße: Unablässiges Gewimmel in den schmalen Gassen. Spuckende/schlurfende Nepalis, drängelnde Mopeds und Rikshafahrer, streunende Straßenköter, hupende Taxis - sie alle können zu einer abrupten GehBlockade werden. Scheißhaufen und unvermittelte Baulöcher befördern deinen Blick automatisch (und immer!) nach unten. Leicht verzweifelt wirkende Shopbesitzer (Wer kann es ihnen in diesen wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten verübeln!), TrekkingAgenten, "Heiratsvermittler", Fiedler und Flötenspieler, Haschischverkäufer ("Psst, smoke?" "Want something?" - und das bereits am ersten Tag!!!), Lumpenbettler, "Verrückte" (Die Weihnachtsfrau:-) - sie alle wollen etwas von dir! Und zwar dein Geld! Denn als Touri bist du unweigerlich für die Nepalis eine laufende Geldbörse, die nur angezapft werden muß. Motorheulen, lautstarke Diskussionen der neuesten Nachrichten, Schlagbohrerkreischen, Generatorengebrumme und ewig-gleiches Musikgeplärre ("Om Mani Padme Hum" an jeder Ecke) belasten selbst das toleranteste Gehör irgendwann. Die permanente, sämtliche Abgasnormen überschreitende Luftverschmutzung raubt dir mindestens ein paar deiner wertvollen Lebensmonate - Nimm sie einfach in Kauf! Das "Unperfekte"/"Unfertige"/"Unzuverlässige" in allem und jeden, ob nun abenteuerliche Bauweise, "Arbeitsmoral", Busfahrpläne oder Geschäftemacherei, sind zunächst ein massiver Affront gegen die gewohnte, westliche Leistungs- und PerfektionsMentalität.
Eigentlich ein konstantes mentales ZERREN, ZIEHEN, ÜBERWÄLTIGEN, ÜBERFORDERN, BEDRÄNGEN! Der normale Wahnsinn der Straße! Der die "unschuldige", Privatsphäre und Stille liebende, schnell genervte, verwöhnte westliche Seele komplett an die Wand presst - alle bisherigen Sinnesgrenzen ultimativ herausfordert, so dass jegliche Alarmglocken zu schreien beginnen. - Und dennoch: Wenn man die Gelassenheit und die augenscheinliche Leichtigkeit der Nepalis beobachtet, begreift (Auch wenn sie natürlich, und im Moment noch um ein Vielfaches verstärkt, ein härteres, unsicheres, abstruseres Leben zu meistern haben, das jeden Tag/jede Minute existentiell bedrohlich werden kann!), wenn man in diesem wilden Strudel einfach mitschwimmt, Tag für Tag die kleinen "Geschenke" dankbar annimmt (ob nun ein erstaunt-verhuschtes-offenes Lächeln, der Blick in ein vom Alltag gezeichnetes Gesicht, das soviel mehr erzählt als jede abgeschliffene Oberfläche, ein unerwarteter "Straßenfund", ein gelungenes Porträtfoto, das Abfangen eines Moments absoluter spiritueller Vertiefung, die strahlenden Augen eines kleinen Mädchens, das von seinem Vater einen Luftballon geschenkt bekommt...) - Wenn man zum "MEISTER DER STRAßE" wird und alles, wie es nun einmal ist, in sich aufsaugt, zur persönlichen, grenzerweiternden "Bereicherung" benutzt .... dann kann und wird man in Kathmandu/Nepal aufs Höchste und mit einer unglaublichen Lebenslust "überleben"!!!
| Der normale "Wahnsinn der Straße" in Nepal. |



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