Mittwoch, 16. Dezember 2015

What's Wrong With Me?

[ Pushkar - der Nicht-Ort auf meiner persönlichen Indienlandkarte. Der Graben, die mentale "Baustelle", die sich mir auftat. Unerwartet. Ungebremst. Hatte das Gefühl, IRGENDWO zu sein. Nur eben nicht in Indien. Ein fiktiver Fleck. Ein Loch in der Zeit. Konturlose Reflexionsfläche. Nicht-Gegenwärtigkeit. Nicht-Reden. Nicht-Sein. - WO BIN ICH? ]
Müde. So unglaublich schlapp wie er...

LOST IN INDIA
Ich hänge. Komplett. Treibe durch eine Anderswelt. Wartend.
Mental schläfrig. Bewege mich wie ein Zombie durch diesen befremdlichen Menschenkosmos.
Mehr ImKreisDrehen als "Vorwärts!".
Der totale Gegensatz zu "Shanti! Shanti!"-"Chai-Chillum-Chapati".
Aktionslos. Energielos.
Vollkommen ausgelaugt. Lasch. Monoton.
Fühle mich außerhalb von allem. "Vergessen" von der Welt.
Ich bin nur der Zuschauer. Auch von mir selbst.
Passives Mit-Mir-Machenlassen. Nicht-Anwesenheit.
Und dennoch: So eine pochende, kratzige Anspannung unbewußt in mir. Etwas rumort. Fragt. Sucht. - Aber nach was?
Seit der merkwürdigen Begegnung in Jaipur mit dem "Steinheiler", der aus unerfindlichen Gründen mich wie ein offenes Buch zu lesen wußte, der mir knallhart meinen inneren, zerfetzten Seelenzustand wieder in Erinnerung rief (WOHER weiß er das alles?), kam ich mir wie ein angeschossenes Reh im Endstadium vor.
Meine Verlorenheit, meine tiefsitzende Traurigkeit, dieses Hadern mit dem Leben an sich, die schlummern wie ein hartnäckiger Parasit in mir. Sie lassen sich nicht abschütteln. Halten mich umklammert. Und wenn sie zum Leben erwachen, schnüren sie mir die Kehle zu. - Seit Jahren schleppe ich diesen "Ballast" nun mit mir herum. Verschiebe auf morgen, wann immer es geht. Und doch ändert es nichts am eigentlichen Kern der Sache.
Es klingt so leicht dahergesagt, aber: Warum das Licht wählen, wenn du dich im Dunkeln doch so "heimisch" fühlst? Warum Menschen an dich heranlassen, wenn du doch mit deinem eigenen Schatten bereits überfordert bist? Warum das Risiko des Verletztwerdens eingehen, wenn dein Verstand dir doch sagt "Es bringt nichts!"? - Genau darum aber dreht sich die nicht enden wollende Misere meines zugigen SeelenKühlschranks. Wie in einem Karussell ohne Stoptaste rotiert und windet sich meine verschlissene Herzleiche in ihrem eigenen Saft. Sucht verzweifelt nach dem Zündstoff zur Wiederbelebung. Wühlt in ihren verstaubten Kammern und windigen Verliesen, beständig auf der Jagd nach dem Feuer, dem Rausch des Lebens. Beides ist mir seltsamerweise abhanden gekommen.

"All you have is your fire." [Hozier]

Die Zeit ist überreif. - Allein das Nicht-Am-Leben-Teilhaben-Wollen, das Fremdsein-In-Der-Welt kostet mich bereits zuviel Kraft. Es zehrt unablässig an meinen Reserven, blockiert sämtliche Notausgänge aus dem selbstgezimmerten Kerker. Ein Waffenstillstand mit mir selbst? Vollkommen utopisch!
Meiner desolaten Verwirrung und Ratlosigkeit komplett erlegen, flüchte ich im "Krisen-Pushkar" zum nächstbesten "Therapeuten" - ein irrationales Festklammern an eine fixe Idee, ein abseitiger "Rettungsversuch" im Affekt. Ginesh, der Brahman-Priester, hält mit mir gemeinsam eine Morgen-Puja am Heiligen See ab. Auch hier bin ich wieder mehr Beobachter meiner selbst, als dass ich anwesend wäre. Wie in Trance befolge ich seine Anweisungen, wiederhole zögerlich die von ihm gesprochenen Sanskritworte, opfere ein wenig "stümperhaft" (Grazil sieht anders aus!) nacheinander dem See/den Göttern meine Gaben (von Milch, curd und Süßigkeiten bis hin zu Rosenblättern und Farbpulver). Zum Abschluß schimmert auf meiner Stirn der rote TikaPunkt, um mein Handgelenk windet sich das berüchtigte Pushkar-Armband. Die eigentliche "Therapiesitzung" beginnt erst bei unserem Rundgang am Wasser entlang. Neugierig möchte er wissen, welches Problem ich denn beim Ritual gedanklich geäußert habe. Ich beginne zu reden. Vieles scheint plötzlich einleuchtender, klarer umrissen. Ich sehe einen möglichen Weg - nicht unbedingt bzw. ausschließlich den der Meditation, den er mir, "Welch Überraschung!", empfiehlt.
Aber: Die "Lösung" ist in mir! Und zwar nur in mir! Nicht die Welt oder das Leben ist das Problem! Ich bin es!
Und: Vergleiche ich mein armseliges Seelenleiden mit dem wirklichen, dem perversen Elend, das sich hier in Indien jeden Tag direkt vor meiner Nase ausbreitet, dann relativiert sich nicht nur augenblicklich mein Selbst-Martyrium, sondern ich stelle auch fest: Im Grunde sind wir Menschenwesen alle auf irgendeine Art und Weise "geschädigt"! Irgendwas stimmt doch mit uns allen nicht! - Die Frage ist dann wohl eher: Wollen wir uns diesem "Schaden" bis zum Lebensende ohnmächtig ausliefern? Uns phlegmatisch dem destruktiven Stillstand hingeben?

"Don't you ever tame your demons - always keep them on a leash." [Hozier]

Wo ist die Kali in mir geblieben?

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